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AbstractDiagnostische Zielsetzung: Der Fragebogen dient der Erfassung des spezifischen interpersonellen Vertrauens. Er thematisiert somit die Erwartung an eine konkrete Person, wobei diese spezifische Erwartung zu trennen ist von Erwartungen an die Verlässlichkeit von Mitmenschen im Allgemeinen. Der Fragebogen verfügt über breite Einsatzmöglichkeiten. So kann er bei der Diagnostik von gestörten Sozialbeziehungen, wie sie etwa unter Ehepartnern vorkommen können, eingesetzt werden. Mögliche Zielpersonen finden sich unter anderem im beruflichen Kontext (z.B. Vorgesetzte und Mitarbeiter), im therapeutischen Bereich (Psychotherapeuten und Ärzte) oder bei Prüfungen (Vertrauen des Prüflings in seine Prüfer). Es können aber auch hypothetische Personen, die in Szenarien geschildert werden, eingeschätzt werden.
Einen weiteren Anwendungsbereich stellt die (experimentelle) Forschung zu kooperativen Beziehungen dar. Aufbau: Der Fragebogen besteht aus 19 Items, die sich auf die beiden Subskalen "Verlässlichkeit" (9 Items) und "Vertrauenswürdigkeit" (10 Items) aufteilen. Die Items stellen Feststellungen dar, die auf einer neunstufigen Likertskala mit den Endpunkten "stimmt nicht" und "stimmt" eingeschätzt werden. Höhere Werte entsprechen einer größeren Ausprägung des Vertrauens. Bei der Auswertung wird für beide Subskalen das entsprechende arithmetische Mittel berechnet. Für beide Vertrauensaspekte können auch Kurzskalen eingesetzt werden, die je fünf Items umfassen.
Grundlagen und Konstruktion: Vertrauen stellt eine wichtige Ressource in interpersonellen Beziehungen dar und kann definiert werden als "Erwartung, die ein Individuum oder eine
Gruppe hat, dass man sich auf das Wort, Versprechen oder die verbale bzw. schriftliche Äußerung eines anderen Individuums oder Gruppe stützen kann" (Rotter, 1967, S. 651). Hierbei lässt sich allgemeines Vertrauen von spezifischem Vertrauen abgrenzen. Ersteres bezeichnet generalisierte Erwartungen (z.B. dass Mitmenschen generell verlässlich sind oder nicht), während spezifisches Vertrauen dem Vertrauen gegenüber einer konkreten Zielperson entspricht. Dieser Fragebogen erfasst - basierend auf dem amerikanischen Fragebogen von Johnson-George und Swap (1982) - das spezifische Vertrauen in eine konkrete Person (Bierhoff & Buck, 1986; Buck & Bierhoff, 1986). Johnson-George und Swap unterscheiden bei Männern die drei Faktoren "Allgemeines Vertrauen", "Emotionales Vertrauen" und "Verlässlichkeit", bei Frauen wurde lediglich zwischen den beiden letztgenannten Faktoren unterschieden.
Für die Konstruktion des neuen Messinstruments wurden die 24 Items der Originalfassung übersetzt und Versuchsteilnehmern (N = 243) in drei Teiluntersuchungen vorgelegt. Die Zielperson, die von den Probanden beurteilt werden sollte, wurde in einem schriftlichen Szenario beschrieben. Die so erhobenen Daten wurden Itemanalysen sowie Faktorenanalysen unterzogen. Ergebnisse der Testanalyse legten es nahe, 5 Items zu eliminieren. Die verbliebenen 19 Items konnten zwei Faktoren zugeordnet werden. 9 Items bilden die Skala "Verlässlichkeit". Die Items dieser Subskala haben die Verlässlichkeit der Zielperson in instrumenteller und praktischer Hinsicht zum Inhalt (z.B. "Geld leihen") und entsprechen dem Verlässlichkeitsfaktor bei Johnson-George und Swap (1982). Weitere 10 Items wurden zu der Skala "Vertrauenswürdigkeit" zusammengefasst. Diese beinhaltet emotional besetzte Vertrauenssituationen
(z.B. "Sich der Zielperson anvertrauen können") und entspricht somit dem Faktor "Emotionales Vertrauen" der amerikanischen Vorlage. Die beschriebene Zweifaktorenlösung mit dem dazugehörigen Ladungsmuster fand sich übereinstimmend in allen Teilstichproben. Auch in einer vierten Stichprobe (n = 108) trat die Zweifaktorenstruktur auf. Im Gegensatz zu der amerikanischen Skala ergaben sich in der deutschen Version keine geschlechtsspezifischen Subskalen. Für beide Subskalen wurde je eine Kurzskala gebildet, die aus den besten Items - nach Höhe der Ladung der Zweifaktorenlösung und den Trennschärfen definiert - besteht. Da beide Subskalen positiv korrelieren (r = .38, p < .001, Buck & Bierhoff, 1986) und 18 der 19 Items mit substantiellen Ladungen von >.40 auf dem ersten Faktor laden, kann ein Gesamtwert des interpersonellen Vertrauens über alle Items hinweg gebildet
werden.
Empirische Prüfung und Gütekriterien: Reliabilität: Die beiden Subskalen weisen sehr hohe interne Konsistenzen auf. So beträgt Cronbachs Alpha für die Verlässlichkeitsskala Alpha = .90 und für die Vertrauenswürdigkeitsskala Alpha = .85 (n = 235). Für eine adaptierte 18-Item-Gesamtskala zur Einschätzung des Vertrauens von Prüflingen in ihren Prüfer ergaben sich ebenfalls gute interne Konsistenzen von Alpha = .87 bzw. Alpha = .90 (Buchwald, 2003; Buchwald & Schwarzer, 2003). Für beide Unterskalen konnte mit Retestkoeffizienten von rtt = .68 (Verlässlichkeit) und rtt = .58 (Vertrauenswürdigkeit) eine mittlere Stabilität über den Zeitraum von einer Woche gefunden werden (n = 28). Auch in einer Stichprobe von Stadtbewohnern (n = 108) lagen die Reliabilitätswerte in einem zufriedenstellenden Bereich, was ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei den
beiden Unterskalen um zuverlässige Messinstrumente der interpersonellen Beurteilung handelt.
Die Kurzskalen weisen gute interne Konsistenzen auf: Cronbachs Alpha für die Kurzform der Verlässlichkeitsskala entspricht mit Alpha = .90 dem Wert der Langform, die Vertrauensskala zeigt in ihrer kurzen Version einen geringeren, aber noch immer zufriedenstellenden Reliabilitätswert von Alpha = .79. Somit können beide Kurzformen als geeignete Schnellverfahren zur Erfassung von Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit bezeichnet werden.
Validität: Die bereits beschriebene zweifaktorielle Struktur konnte sowohl in der Gesamtstichprobe als auch in allen drei Teilstichproben sowie einer zusätzlichen Stichprobe bestätigt werden. In zwei Untersuchungen fand sich, dass das allgemeine und das spezifische interpersonelle Vertrauen weitgehend unabhängig voneinander waren, wenn konkrete Personen beurteilt wurden. Hinweise auf die Konstruktvalidität ergeben sich aus zwei Experimenten, in denen gezeigt werden konnte, dass sich eine systematische Manipulation der Verlässlichkeit der Zielperson primär auf die Verlässlichkeitsskala auswirkte, während eine Manipulation der Vertrauenswürdigkeit primär Auswirkungen auf die Vertrauenswürdigkeitsskala hatte. Dies deutet auf die differentielle Validität hin; gleichzeitig sprechen diese Befunde für die Gültigkeit eines zweidimensionalen Ansatzes mit zwei korrelierten Vertrauensfacetten. Für
die Gesamtskala konnte gezeigt werden, dass sie prospektiv 10 Prozent der Suche nach sozialer Unterstützung in einer Prüfungssituation erklärt (Buchwald & Schwarzer, 2003): Prüflinge, die 8 bis 9 Wochen im Vorhinein mehr interpersonelles Vertrauen gegenüber ihrem Prüfer zum Ausdruck brachten, suchten während der Prüfung mehr soziale Unterstützung. Andererseits verwendeten Prüflinge, die wenig Vertrauen in den Prüfer zum Ausdruck brachten, in der Prüfung mehr aggressiv-antisoziale Strategien.
In zwei Studien (n1 = 73; n2 = 80) führten die Gesprächspartner/Beurteiler jeweils ein persönliches Gespräch miteinander durch und schätzten daran anschließend Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit des jeweiligen Gesprächspartners ein. Faktorenanalysen zeigten, dass die zweidimensionale Faktorenstruktur der Items, die ursprünglich aus schriftlichen Beschreibungen von Alltagssituation abgeleitet worden war, gut repliziert werden konnte. Die interne Konsistenz der Skalen lag zwischen Alpha-Werten von .80 und .90. Die Gesprächspartner schätzten ihre gegenseitige Bekanntheit ein. Mit höherer Bekanntheit des Gesprächspartners fiel das interpersonelle Vertrauen höher aus (rtt = .50, p < .001, für Verlässlichkeit und rtt = .63, p < .001, für Vertrauenswürdigkeit). Bei einer Paarauswertung wurde festgestellt, dass Verlässlichkeit (rtt = .45, p < .001) und Vertrauenswürdigkeit (rtt = .49, p =
.001) bis zu einem gewissen Ausmaß gegenseitig sind (gemittelte Daten aus den beiden Studien): Wenn ein Gesprächspartner dem anderen vertraut, tendiert der andere Gesprächspartner dazu, das Vertrauen zu erwidern. Da die Paarkorrelationen von zwei unabhängigen Datenquellen stammen, können die Zusammenhänge nicht durch gemeinsame Reaktionstendenzen erklärt werden. Vielmehr spiegeln sie wieder, dass das spezifische interpersonelle Vertrauen in Paaren positiv zusammenhängt, was z.B. auch in der Beziehung von Chefs und ihren Sekretärinnen festgestellt wurde (Butler, 1983). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass spezifisches und generalisiertes Vertrauen voneinander weitgehend unabhängig sind, da sich Nullkorrelationen finden (Buck & Bierhoff, 1986). Das spezifische interpersonelle Vertrauen leitet sich also nicht aus dem allgemeinen Vertrauen in Mitmenschen ab, sondern stellt eine
eigenständige interpersonale Ressource dar.
Normen: Normwerte liegen nicht vor.
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Literatur- Bierhoff, H.W. & Buck, E. (1986). Spezifisches interpersonelles Vertrauen in der Personenwahrnehmung. In M. Amelang (Hrsg.), Bericht über den 35. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Heidelberg 1986 (Band 1, S. 238). Göttingen: Hogrefe.
- Buchwald, P. (2003). The relationship of individual and communal state-trait coping and interpersonal resources as trust, empathy and responsibility. Anxiety, Stress, and Coping, 16, 307-320.
- Buchwald, P. & Schwarzer, C. (2003). The exam-specific strategic approach to coping scale and interpersonal resources. Anxiety, Stress, and Coping, 16, 281-291.
- Buck, E. & Bierhoff, H.W. (1986). Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit: Skalen zur Erfassung des Vertrauens in eine konkrete Person. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische
Psychologie, 7 (4), 205-223.
- Butler, J.K. (1983). Reciprocity of trust between professionals and their secretaries. Psychological Reports, 53, 411-416.
- Johnson-George, C. & Swap, W.C. (1982). Measurement of specific interpersonal trust: Construction and validation of a scale to assess trust in a specific other. Journal of Personality and Social Psychology, 43, 1306-1317.
- Rotter, J.B. (1967). A new scale for the measurement of interpersonal trust. Journal of Personality, 35, 651-665.
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