|
AbstractDiagnostische Zielsetzung: Die Aktuelle Stimmungsskala (ASTS) ist ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung der aktuellen Stimmung. Sie erfasst den State-Anteil des subjektiven Wohlbefindens. Aufgrund ihrer Kürze kann die ASTS für den Einsatz bei psychisch belasteten Personen, die häufig Schwierigkeiten mit der Bearbeitung langer Fragebogen haben, empfohlen werden.
Die valide und veränderungssensitive ASTS ist geeignet, wichtige Dimensionen seelischer Gesundheit zu beschreiben. Sie kann als Kriterium für den Umgang mit Entwicklungsaufgaben wie z. B. Eintritt in Studium oder Berufsleben oder für die Bewältigung von Schicksalsschlägen wie z. B. Arbeitslosigkeit oder schwere Krankheit dienen. Aufbau: Die Skala Aktuelle Stimmung (ASTS) umfasst 19 Items, die den fünf Teilskalen Trauer (TR), Hoffnungslosigkeit (HO), Müdigkeit (MÜ), Zorn (ZO) und positive Stimmung (PO) zugeordnet sind. Die drei Dimensionen Trauer, Hoffnungslosigkeit und Müdigkeit sowie die Dimension positive Stimmung sind geeignet, die aktuelle Stimmung in ihrem Kern zu beschreiben. Es wird nach den Gefühlszuständen "im Moment" gefragt und zur Beurteilung der dargebotenen Adjektive wird eine siebenstufige Ratingskala mit den Endpolen "1 = überhaupt nicht" und "7
= sehr stark" vorgelegt. Die Items jeder Dimension können getrennt aufsummiert werden. Darüber hinaus kann auch ein Gesamtmaß zur Beschreibung der aktuellen negativen Stimmung gebildet werden. Hierzu müssen zunächst die Items der Skala Positive Stimmung umcodiert werden.
Trauer (3 Items: 3 4 6)
Hoffnungslosigkeit (3 Items: 8 12 16)
Müdigkeit (4 Items: 2 9 14 18)
Positive Stimmung (6 Items: 5 7 11 13 15 19).
Hinzu kommt die Skala Zorn (3 Items: 1 10 17), die allerdings eine sehr situationsspezifische Bedeutung zu haben scheint (Dalbert, 1992) und nicht in einen gemeinsamen Faktor negative Stimmung aufgenommen wurde, aber zur Messung von Zorn in einer bestimmten Lebenslage geeignet ist.
Grundlagen und Konstruktion: Zur Messung der aktuellen Stimmung wurde eine eigene deutsche Kurzfassung des Profile of Mood States (POMS; McNair, Lorr & Droppleman, 1971), die aktuelle Stimmungsskala (ASTS) entwickelt. Ausgangspunkt waren die von Bullinger, Heinisch, Ludwig und Geier (1990) berichteten Analysen ihrer Adaptation des POMS.
Bei der Beschreibung der Bewältigung von Lebensaufgaben und Schicksalsschlägen können die Dimensionen des aktuellen subjektiven Wohlbefindens sinnvolle Kriterien erfolgreicher Bewältigung darstellen. Gerade eine negative Differenz zwischen habituellem und aktuellem Wohlbefinden stellt eine Herausforderung an die individuelle Anpassungsleistung dar. Bewältigungsziel ist hier die positive Anpassung oder, anders gesagt: der Niederschlag eines aktuellen negativen Zustandes auf das habituelle subjektive Wohlbefinden und die Rückwirkung auf andere Personendispositionen soll verhindert werden. Gelingt eine solche positive Anpassung nicht, kann hierin ein Anzeichen für den Beginn abweichender Entwicklung gesehen werden. Insofern berührt diese Differenzierung eine Nahtstelle zwischen Entwicklungs- und Klinischer Psychologie.
Die sechs Items, die bei Bullinger et al. (1990) die höchsten Ladungen auf dem Faktor Niedergeschlagenheit und keine Ladungen auf anderen Faktoren aufwiesen, wurden zur Messung der Dimension "Niedergeschlagenheit" vorgelegt. Die fünf bei Bullinger et al. (1990) auf dem Faktor Müdigkeit ladenden Items wurden auch hier zur Messung der Dimension "Müdigkeit" vorgegeben. Die Dimension "Zorn" wird durch die drei eindeutig auf einem Faktor ladenden Items der Dimension "Missmut" bei Bullinger et al. (1990) gemessen. Als positiv getönte Dimension enthält das POMS die Dimension "Tatendrang". Auf diesem Faktor luden bei Bullinger et al. (1990) sieben Items, die sowohl Tatendrang (z. B. tatkräftig, energisch) als auch positive Stimmung (z. B. fröhlich, munter) beschreiben. Diese sieben Items wurden ebenfalls aufgenommen.
Empirische Prüfung und Gütekriterien:
Reliabilität: Für die Skalen konnten befriedigende Homogenitätskoeffizienten erzielt werden. Die interne Konsistenz nach Cronbach beträgt Alpha = .83 bis Alpha = .94.
Validität (faktorielle Validität): Eine Hauptkomponentenanalyse mit anschließender Varimaxrotation über die 22 Items zur Messung der aktuellen Stimmung erbrachte eine vierfaktorielle Lösung, die 70.9% der Varianz aufklärte. Die Items markierten gemäß der a priori postulierten Struktur die Faktoren Tatendrang, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und Zorn. Insofern replizieren diese Ergebnisse die von Bullinger et al. (1990) vorgestellten Analysen.
Aber das Bild verändert sich bei Betrachtung der konfirmatorischen Analysen (Dalbert, 1992). Wegen der hohen Itemzahl wurde hier der umgekehrte Weg eingeschlagen. Zunächst wurden die Einzeldimensionen überprüft und erst dann das gemeinsame Modell.
Das Einfaktormodell für die sechs Items zur Messung der Niedergeschlagenheit mit freien Ladungen und freien unkorrelierten Fehlern wurde von den Daten widerlegt (Chi-Quadrat = 42.36; p < .001). Eine Analyse der standardisierten Residuen legte ein Zweifaktormodell mit den Faktoren Trauer und Hoffnungslosigkeit nahe. Dieses Modell mit perfekter Einfachstruktur wurde durch die Daten gestützt (Chi-Quadrat = 17.66; p = .13; GFI = .97).
Das Einfaktormodell für die fünf Items zur Messung der Müdigkeit mit freien Ladungen und freien unkorrelierten Fehlern stimmte nicht mit den Daten überein (Chi-Quadrat = 21.55; p < .001). Eine Analyse der standardisierten Residuen legte den Verzicht eines Items nahe. Für die verbleibenden vier Items war die Annahme eines Einfaktormodells mit fixierten Ladungen angemessen (Chi-Quadrat = 4.24; p = .52; GFI = .99).
Das Einfaktormodell mit auf Eins fixierten Ladungen für die drei von Bullinger et al. (1990) übernommenen Items zur Messung von Zorn wurde von den Daten gestützt (Chi-Quadrat = .00; p = .97; GFI = 1.00).
Um zu überprüfen, ob sich die vier Dimensionen Trauer, Hoffnungslosigkeit, Müdigkeit und Zorn hinreichend klar voneinander unterscheiden, wurde das gemeinsame Messmodell für die vier Dimensionen mit insgesamt 13 Items getestet. Dieses Vierfaktorenmodell wurde durch die Daten gestützt (Chi-Quadrat = 83.35; p = .07; GFI = .94). Vergleichbare Ergebnisse wurden zu einem zweiten Messzeitpunkt drei Monate später ermittelt.
Eingehende Analysen der Items der Dimension Tatendrang führten dazu, dass diese Items nicht weiter verwendet wurden. Stattdessen wurde zum zweiten Messzeitpunkt eine sechs Items umfassende, eindeutige positive Stimmungsskala unter Rückgriff auf Ergebnisse zur Eigenschaftswörterliste (EWL) von Janke und Debus (1978) erstellt. Ein Einfaktormodell mit auf Eins fixieren Ladungen für die sechs Items wurde von den Daten gestützt (Chi-Quadrat/13 = 15.22; p = .36; GFI = .93).
(Differentielle Validität:) Einen wichtigen Hinweis auf die differentielle Validität gibt ein Strukturgleichungsmodell. Das theoretische Modell des subjektiven Wohlbefindens (Dalbert, 1992) unterscheidet zunächst zwischen einem aktuellen und einem habituellen Wohlbefinden und innerhalb des habituellen wird zwischen emotionalen und kognitiven Anteilen getrennt. Das Strukturgleichungsmodell belegt eben diese Annahme, indem es aufzeigt, dass die beiden Skalen Stimmungsniveau und Allgemeine Lebenszufriedenheit gemeinsam habituelle Anteile des subjektiven Wohlbefindens abbilden und dass diese Gemeinsamkeit bedeutsamer zur Erklärung des Antwortverhaltens war als etwa die inhaltliche Gemeinsamkeit zwischen den Faktoren Stimmungsniveau und aktuelle Stimmung. Ebenso war die Korrelation zwischen Stimmungsniveau und Lebenszufriedenheit (Trait-Trait-Korrelation: r = .67) enger als die Korrelationen
der beiden habituellen mit den drei aktuellen negativen Stimmungsmaßen (Trait-State-Korrelationen: r = .28/.42; Dalbert, 1992).
Die Stabilitätskoeffizienten für die habituellen Maße Stimmungsniveau und Lebenszufriedenheit (r = .81/.87) waren ebenfalls höher als die für die aktuellen Stimmungsdimensionen Müdigkeit, Trauer, Hoffnungslosigkeit (r = .34/.63).
(Konstruktvalidität:) Es konnte gezeigt werden, dass das habituelle subjektive Wohlbefinden eine wichtige Erklärung der aktuellen Stimmung darstellt. Etwa die Hälfte des momentanen Befindens ging auf die aktuelle Stimmung zurück.
Die hohen Korrelationen der drei Stimmungsdimensionen Trauer, Hoffnungslosigkeit und Müdigkeit mit dem General-Health-Questionnaire (GHQ; Goldberg, 1972) können als Hinweise auf die Konstruktvalidität der drei Dimensionen zur Messung der aktuellen Stimmung gewertet werden.
Von den vier State-Maßen Trauer, Hoffnungslosigkeit, Müdigkeit und positive Stimmung korrelierte keines mit Geschlecht, Alter oder Sozialer Erwünschtheit.
Normen: Für die ASTS liegen keine Normen vor.
|
|
Literatur- Bullinger, M., Heinisch, M., Ludwig, M. & Geier, S. (1990). Skalen zur Erfassung des Wohlbefindens: Psychometrische Analysen zum "Profile of Mood States" (POMS) und zum "Psychological General Wellbeing Index" (PGWB). Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 11, 53-61.
- Dalbert, C. (1992). Subjektives Wohlbefinden junger Erwachsener: Theoretische und empirische Analysen der Struktur und Stabilität. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 13 (4), 207-220.
- Goldberg, D. P. (1972). The detection of psychiatric illness by questionnaire. London, U.K.: Oxford University Press.
- Janke, W. & Debus, G. (1978). Die Eigenschaftswörterliste (EWL). Göttingen: Hogrefe.
- McNair, D. M., Lorr, M. & Droppleman, L.F. (1971). EITS - manual for Profile of Mood States.
San Diego, CA: Educational and Industrial Testing Service.
|